Lautloser Eierkocher
Intel hat seit Sommer ein lüfterloses Mainboard mit aufgelötetem 1.2GHz Celeron im Programm. Das Board ist designed „for the next billion users„… Ich vermute, damit ist niemand in Südamerika gemeint.
Interessant finde ich jedoch, dass man das Board in einschlägigen Internetläden schon ab 50 europäischen Währungseinheiten erstehen kann.
Derzeit sind 1.2GHz für den „Ich will nur Internet, Briefe schreiben und spielen“-Einsteiger noch vollkommen ausreichend. Mit 512MB RAM, einem alten Gehäuse und einer Festplatte aus dem Schrank kann man so für unter 60 Euro der Oma eine Freude bereiten. Als lautloser Heimserver sollte das Dingelchen durchaus auch taugen.
Ich habe mir zum Testen mal ein Board davon besorgt.
Das Board hat erstaunlicher Weise nur vier Layer, ist aber alles Andere als nur billig gebaut. Die Kondensatoren im CPU-Netzteil z.B. vertragen hohe Stromdichten und sind für 105°C ausgelegt. Intel scheint Wert auf Haltbarkeit gelegt zu haben.
Auf dem Board ist alles, was man unbedingt braucht; nicht mehr und nicht weniger. Nachrüsten kann man nur eine PCI-Karte. Als Grafik muss die im Chipsatz integrierte SiS-Mirage dienen. Der Hauptspeicher-Datendurchsatz liegt laut MemTest86+ bei >1.3GByte/s.
Ubuntu-Linux läuft, bis auf den SiS-Grafiktreiber, „Out of the box“. Bei einer (für Oma ausreichenden) Auflösung von 1024×768 Bildpunkten geht auch der.
Nach einer Weile Spielens schaute ich mir die Prozessor-Temperatur an und dachte mir, „oh 65°C“… aber das war der kühlere Chip! Ich kam mit dem Finger an den Kühler der North-Bridge und holte mir fast eine Brandblase! Gemessene 85°C auf dem Kühlkörper bei 22°C Raumtemperatur und offen auf dem Tisch liegenden Board. 😯
In der „Technical Product Specification“ des D201GLY2 steht auf Seite 51, dass das Board bis 55°C Umgebungstemperatur läuft. …und zwar mit 300.000 (dreihunderttausend!) Stunden MTBF!
Das konnte ich mir nicht vorstellen!
Also ab mit dem Brett in die Klimakammer eine Pappkiste, Memtest86+ gestartet und gewartet.
Bei einer stabilen Innentemperatur von 55 °C hatte der Prozessor gemessene >100°C und der Chipsatz >120°C. (Beides auf dem Kühlkörper) Die CPU hat sich brav auf ein viertel des Taktes gebremst, aber lief und lief und lief…
WOW! Zäher kleiner Scheißer!
…erst bei ~105°C CPU-Kühlkörper-Temperatur gab das Board dann auf, und schaltete sich ab. Nach dem Abschalten wollte das Board nicht mehr booten …bis es wieder auf ~80°C abgekühlt war. Dann lief es wieder klaglos weiter.
Respekt! 😀
Nun ja, 300.000 Stunden lang wollte nicht testen, ob alles läuft! Es wird ein Kühler eingebaut und gut.
Also wird der Rechner doch knapp über 60 Euro verschlingen… Mist! 😉